Das Netzwerk Gemeinwohl-Ökonomie Unternehmen in Berlin-Brandenburg e.V. ist am 01.01.2021 gestartet. Doch was ist das Selbstverständnis des Netzwerks? Welche Ziele verfolgt es? Und wie trägt es zur Transformation zu einer gemeinwohl-orientierteren Region Berlin-Brandenburg bei?
Selbstverständnis des Netzwerks
Dabei wird es von der Senatsverwaltung in Berlin aus GRW Mitteln für die nächsten drei Jahre (2021- 23) eine Förderung von 200.000 € erhalten. Aus Eigenmitteln der Mitglieder wurden 66.000 € aufgebracht. Daraus leiten die Mitglieder den Auftrag ab, in den Regionen Berlin und Brandenburg einen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu leisten.
Dies wird in erster Linie durch die Förderung der Kooperation der Gemeinwohl-bilanzierenden Mitgliedsunternehmen geschehen und in zweiter Linie durch die Verknüpfung des gemeinwohlorientierten Wirtschaftssektors mit Unternehmensverbänden, Gemeinden und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die ähnliche Ziele verfolgen.
In der Berliner und der Brandenburger Wirtschaft können die GWÖ-Unternehmen Anregungen in diesen Bereichen geben:
- Mit einer Gemeinwohl-Bilanz wird die Wertschöpfung des Unternehmens als Beitrag zur Wertschöpfung in der Region sichtbar.
- Herausforderungen, die mittlerweile breit in der Gesellschaft und Wirtschaft akzeptiert sind, wie der Klimawandel, die gerechte Gestaltung von Lieferketten sowie die Einkommens- und Vermögens-Verteilung in Deutschland werden von Gemeinwohl-Ökonomie Unternehmen richtungsweisend angegangen und gelöst. Diese unternehmerischen Praktiken können in diversen Branchen aufgegriffen werden.
- Mit der Gemeinwohl-Bilanzierung werden Unternehmen erkennbar, die einen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten. Damit werden sie im Markt attraktiv bei Mitarbeiter*innen, Kund*innen, Lieferant*innen. Ein GWÖ-Label, das auf Produkten und im Geschäftsverkehr gezeigt wird, unterstützt die Sichtbarkeit.
- Wohnungsbaugesellschaften und Immobilien-Unternehmen können mit Gemeinwohl-Bilanzen transparent ausweisen, wie sie zur Wertschöpfung von Mieter*innen, Käufer*innen und Investor*innen beitragen.
- Organisationen in der Sozial-Pflege können mit Gemeinwohl-Bilanzen deutlich machen, dass sie nicht nur Kosten verursachen, sondern einen darstellbaren und bezifferbaren Nutzen für das Gemeinwesen schaffen.
- Die Berliner Start-Up Szene kann Neugründungen von Beginn an so ausrichten, dass sie mit einem ganzheitlichen Blick auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkungen agieren.
Was trägt das Netzwerk zur Zukunftsfähigkeit von Gemeinden & Regionen bei?
Bei der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen sind Gemeinden zunehmend interessiert, soziale und ökologische Kriterien in Ausschreibungen aufzunehmen. Die Gemeinwohl‑Ökonomie hat Erfahrungen von beiden Seiten: sie veranlasst ihrerseits die Unternehmen, soziale und ökologische Kriterien bei der Beschaffung zu berücksichtigen. Deshalb gibt es einerseits Erfahrungen, wie solche Kriterien in Ausschreibungen aufgenommen werden können und wie sie bei eingehenden Bewerbungen erkannt werden können. Andererseits haben die Unternehmen selbst an öffentlichen Ausschreibungen teilgenommen und können diese Erfahrungen teilen.
Gemeinden selbst erstellen auch Gemeinwohl-Bilanzen, um Rechenschaft zu geben, wie sie die Werte Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit und Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit und demokratische Mitwirkung berücksichtigen. Dadurch kann der Dialog von Bürger*innen und Verwaltung über die künfige Entwicklung auf einer guten Informationsbasis geführt werden.
Inwiefern unterstützt die Gemeinwohl-Ökonomie die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft?
Die Krisen, die immer deutlicher werden, die Umweltkrise, die Biodiversitätskrise, die Armutskrise ganzer Bevölkerungsteile und Nationen sind eine direkte Folge von begrenztem Wirtschafts-Denken. Das Eigeninteresse wird kurzfristig verfolgt mit dem Blick auf die Optimierung der Finanzkennzahlen. Demgegenüber ist eine Ausweitung des Blickes erforderlich, die langfristige Wirkungen der eigenen Entscheidungen erkennt, die zwischen Unternehmens-Interessen und den Interessen aller Anspruchsgruppen vermittelt und die vor allem auch menschenfreundliche Werte berücksichtigt.
Die Ansatzpunkte für die Transformation im Betrieb sind Klimaneutralität, Plastik-Vermeidung, Schadstoff- Vermeidung, Erhöhung von Recycling-Quoten, Reduktion des Verbrauchs natürlicher Ressourcen.
Viele Unternehmen sehen die Wende zu einer nachhaltigen Wirtschaft noch als Widerspruch zu ihrer Profitabilität und begreifen Ausgaben für Nachhaltigkeit vorwiegend als Kosten. Die Gemeinwohl Ökonomie erweitert den Blick und spricht explizit die Werteebene an, die hinter der Nachhaltigkeit steckt. Sie orientiert auf den Werte-Rahmen des Grundgesetzes und misst die Unternehmens-Praxis an den Beiträgen dazu.
Eine höhere ökologische Nachhaltigkeitsleistung und die Beachtung der Menschenwürde ist eine Konsequenz der Gemeinwohl-Bilanz. Weitergehend werden soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Transparenz und demokratische Mitwirkung addressiert.
Diese Werte wirken konsistent zusammen und unterstützen die Neu-Orientierung der Wirtschaft. Unternehmer*innen, die das Modell der Gemeinwohl Bilanz anwenden, berichten z.B.: “Jetzt kann ich meiner Tochter wieder in die Augen blicken, ich setze mich für ihre Zukunft ein und mit dieser Energie kann ich das Unternehmen führen und weiterhin gestalten.” Damit erleben Unternehmensleitungen eine neue Sinngebung ihrer Tätigkeit. Diese Botschaft überzeugt auch Mitarbeiter*innen, deren Produktivität durch ein höheres Engagement zunimmt und die infolge ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten die Unternehmensentscheidungen auch fachkundig mitgestalten.
Ausblick
- Das Netzwerk wird die Vorteile der Gemeinwohl-Orientierung bei den Mitgliedsunternehmen verstärken.
- Darüber hinaus werden wir neue Mitglieder aufnehmen, die in diesem kooperativen Kreis Unterstützung und Verstärkung finden wollen.
- Gemeinden und öffentliche Einrichtungen werden auf die Vorzüge der Gemeinwohl-bilanzierten Unternehmen aufmerksam gemacht.
- Die breite Unternehmens-Öffentlichkeit wird eingeladen, sich mit den Prinzipien und Praktiken der Gemeinwohl-orientierten Wirtschaft zu befassen.
- Konventionelle Unternehmen können das GWÖ-Modell schrittweise anwenden – zunächst nur bezogen auf einzelne Wertegruppen oder einzelne Stakeholder-Gruppen. Die weitergehende Anwendung des Modells kann von den Unternehmensleitungen im eigenen Tempo gesteuert werden.